Ein stiller Raum, voller Möglichkeiten. Das Innehalten, das Unbekannte, der Moment vor der Entscheidung, welche Tür geöffnet wird. Martin Kohlstedt traut sich nach Alben, die den Diskurs mit Elektronika und Chören als Gegenüber suchten eine Rückbesinnung auf den Kern. Und legt mit FLUR ein Album vor, dass zurück zum Ursprung geht: Solo Piano. Doch das Klavier ist nicht allein. Kohlstedt wohnt in ihm, nahm das Album zurückgezogen in seiner Dachgeschosswohnung auf, mit Blick auf Weimar, mit all den Vögeln, Winden, Regentropfen, dem Licht, mit der Geometrie und Tiefe, die diese Tage begleiteten und sich nun auf FLUR wiederfinden.
Und so ist das, was sich da an Leben und Leuchten um die Stücke versammelt Teil des Bildes. Eines komplett neuen Bildes. Zwar zieht sich weiterhin das modulare Komponieren durch das Schaffen, auch die Stücke von FLUR sind Momentaufnahmen von Werken mit Eigenleben, die stetig neu verhandelt und mit kryptischen Kombinationen aus drei Buchstaben versehen werden. Doch Kohlstedt legt hier nicht nur neue Grundmodule vor, er schafft es dem tausendfach erprobten Konzept des Klavieralbums Dimensionen hinzuzufügen. Das Instrument auf einer Lichtung und der Wald drumherum, als natürlicher Resonanzraum. Echtes Leben, das zwingend Teil des Ganzen ist. Kein Ton ohne Kontext.
“Lichtung” ist auch der Titel des Gemäldes des Leipziger Malers David Schnell, das Martin Kohlstedt sah und sofort wusste, dass er das Albumcover gefunden hatte, ohne danach suchen zu müssen. Weil Schnells Werk das in Form fasst, was FLUR für Kohlstedt ist: Ein Raum ohne Zeit. Und so ist dieses Album auch ein bewusstes Statement: Für das Klavier als Protagonist. Für den Verzicht auf Filter. Für Empathie, für Nähe, das Intuitive. Dafür die Türen zu öffnen.